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Social Media und Demokratie - Abiturienten überzeugen beim Europäischen Wettbewerb

Xhulia Tepshi und Benedikt Putz (beide KSII) überzeugten beim 66. Europäischen Wettbewerb mit Ihren Arbeiten zum Thema "Social Media - ein Demokratiekiller?". Nachfolgend können Sie die überzeugenden Reden der beiden Abiturienten nachlesen. 

Beitrag von Xhulia Tepshi

Soziale Medien. Sie begegnen uns unter Tausenden von Namen, von Twitter bis Facebook, und doch steckt hinter alledem doch nur dieser einzige Zweck – Menschen aus aller Welt miteinander zu verbinden. Nun ja, das ist zumindest die Devise, die die Chefetage der Social-Media-Konzerne bei Befragungen vor EU-Parlament und Co. brav herunterleiert. Früher. Ja, früher da gab es mal eine Zeit in der diese auswendiggelernte Ausweichantwort mal mit Wahrheit und Sinn, mit Gutherzigkeit und Vision gefüllt war. Erinnern Sie sich noch an diese Zeiten? An die Geburtsstunde der sozialen Medien? Lange scheint es her zu sein, ich weiß, schließlich sind sie aus unseren Leben ja gar nicht mehr wegzudenken, es wäre ja ein Albtraum. Aber es war da, das Goldene Zeitalter. So stimmt es doch, dass auch Facebook zu Anfang die simple Möglichkeit bot, Urlaubsfotos und andere Mittel zur kurzweiligen Gemütserheiterung gleichwohl mit dem Nachbar von Nebenan und der Cousine dritten Grades in Neuseeland zu teilen. Obwohl der Eyecatcher dieser kleinen Aussage hier sicherlich die Erleichterung der zwischenmenschlichen Kommunikation und Konnexion ist, möchte ich Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, hier auf ein anderes, unscheinbareres Wörtchen aufmerksam machen – Gemütserheiterung. Emotion und Impuls sind in der DNA der sozialen Medien verankert, sie sind das, was ihren Charakter ausmachen. Natürlich stellte dies in den unschuldigen Anfängen der sozialen Medien keinerlei Problem dar. Wie denn auch wenn die Auslöser und die gleichzeitigen Adressaten dieser Gefühle Banalitäten der besagten Art waren? Aber dass soziale Medien ausschließlich der Unterhaltung dienen und nur Belanglosigkeiten ihre Akteure sind, das entspricht schon lange nicht mehr der Realität. Stattdessen werden Weltkriege auf Twitter erklärt und Präsidenten durch Facebook großgemacht. Natürlich werden Sie sich nun fragen, was in Gottes Namen das alles mit Europa zu tun haben soll. Die Antwort darauf ist einfach. Soziale Medien sind es, die unsere Demokratie in Europa tagtäglich zu bedrohen scheinen.

 

„Das ist doch Schwachsinn“, werden Sie wohl gerade denken. „An den Haaren herbeigezogen!“

Meine lieben Europäer und Europäerinnen, ich verstehe Ihre Zweifel, aber erinnern Sie sich doch mal an die Schlagzeilen der letzten Jahre zurück. Fake-News. Filterblasen. Social Bots.

 

Aber lassen Sie uns von Vorne beginnen.

Mit dem Sprung der sozialen Medien von bloßem Kommunikations-und Vergnügungsmittel zur politischen Plattform, ergibt sich das Phänomen der zunehmenden Entrationalisierung der politischen Debatten. Als Konzerne mit wirtschaftlichen Interessen zielen soziale Medien natürlich darauf ab, so viele Kunden wie nur irgendwie möglich für sich zu gewinnen. Und wie lässt sich dies am besten erreichen? Natürlich indem man die unersättliche Emotionssucht der potentiellen Kunden zu nähren versucht. Mit knappen, zugespitzten Posts soll die emotionale Ebene des Nutzers angesprochen und so seine Aufmerksamkeit erregt werden. Der tatsächliche Wahrheitsgehalt der getroffenen Aussagen ist dabei, wenn überhaupt, zweitrangig. Und damit beginnt auch schon die genannte Entrationalisierung der zeitgenössischen politischen Debatten. Denn auch politische Themen und Beiträge werden in sozialen Medien extrem verkürzt und stark emotionalisierend wiedergegeben. Und obwohl diese Inhalte nicht falsch sein müssen, werden Sie doch auch nicht richtig dargestellt. Die Konsequenz dieser Maskerade? Bürger, die sich durch soziale Netzwerke über politische Geschehnisse auf dem Laufenden halten, werden durch die dortigen unvollständigen Inhalte polarisiert. Ab diesem Moment, wenn der Bürger eine politische Debatte nicht mehr mit seinem Verstand, sondern mit seinem Herzen führt, ist die Hoffnung auf einen differenzierten, zielbringenden öffentlichen Diskurs aufzugeben. Wie sonst würden Sie sich das fast schon plötzliche Aufleben des Populismus in Europa erklären? Es ist fast schon zu simpel. Populisten sind Opportunisten. Sie erkennen die zunehmende Erregung in der Bevölkerung und schnappen zu. Gefangen ist man in ihrer Falle, aus emotionsträchtigen Versprechen, aus einfachen Antworten auf komplexe Fragezeichen. Schauen Sie sich doch mal um. Marine Le Pen in Frankreich, Geert Wilders in den Niederlanden und Sebastian Kurz in Österreich. Aber vor unserer Türe ist es auch staubig geworden. Flashback zur Bundestagswahl 2017: Die Alternative für Deutschland gewinnt 12,6% der Stimmen.

 

Soziale Medien sind also der Nährboden des Populismus. Schön und gut. Oder eher nicht schön und nicht gut, denn der Populismus ist die wohl gefährlichste zersetzende Kraft der Demokratie unseres gemeinsamen Europa. Mit einer Europäischen Union, die in fast allen Lebensbereiche ihrer Bewohner involviert ist, ist es einfach, jegliche Form von Problem und Herausforderung auf diese als omnipotentes Phantom angeprangerte Institution zurückzuführen. Sie kennen diesen Automatismus doch bestimmt auch von ihnen selbst, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Kaufkraft geht zurück: „Vermaledeite EU. Mit der Mark war alles besser.“                                                                                                          

Die Flüchtlingskrise: „Raus aus der EU. Grenzen dicht. Problem gelöst.“ Diesen Impuls wandeln Populisten jetzt erfolgreich in Wahlprogramme um. Ihre Parteien sind Anti-Parteien. Anti-Was-auch-immer-sich-gerade-anbietet. Die Hauptsache ist, dass ein Gefühl von einem „Wir-gegen-die-Anderen“ erzeugt wird. Ganz nach Jean-Jacques Rousseaus Vorbild, wird bestimmt, dass das „Wir“, eine aus entindividualisierten Individuen bestehende Gruppe, zu deren Repräsentanten man sich selbst legitimiert, dieselben politischen Interessen besitzt. Der Gemeinwille und der Einzelwille werden so als deckungsgleich betrachtet.  Beim Gedanken an die Identitätstheorie wird den meisten von Ihnen ein Schauer über den Rücken fahren. Wie denn auch nicht, wenn Sie noch heute die Grundlage und das Legitimationsmittel typischer Autokratien ist. Man erkennt, der Populismus stellt sich gegen den Pluralismus, das Brot und Wasser der Demokratie.

 

Sobald Unterschiede in Meinung und Sein zwischen Menschen von den Vertretern der Politik und vor allem von den Trägern der Demokratie, dem Volke selbst nicht länger anerkannt werden, gibt es kein Ohr mehr für Andersdenkende. Es herrscht eine Diktatur des selbsterklärten „Gemeinwohls“, die Tyrannei einer künstlichen Majorität.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, kann das Demokratie sein? Nein. Besonders und prägend für die Demokratie sind doch ihre pluralistischen Werte, ihre Toleranz und Akzeptanz gegenüber einer Vielfalt an Kulturen, Meinungen und Identitäten und die Integration dieser Vielfalt in die öffentliche Konsensfindung.

 

Soziale Medien begünstigen den Populismus. Der Populismus zersetzt den Pluralismus und damit die Demokratie. Erkennen Sie schon die Gefahr für Europa?

 

Was ist eine Europäische Union ohne pluralistisch-demokratische Werte? Richtig. Es gibt sie nicht.

 

Wie, wenn nicht mit Toleranz und einem Fünkchen Kulturrelativismus, könnten 28, nun ja 27 Staaten und noch mehr Völker, in Frieden miteinander leben? Wie, wenn nicht durch Demokratie, könnte in einem supranationalen Zusammenschluss wie der Europäischen Union die Gesamtheit aller involvierten Völker gerecht an die politische Konsensbildung beteiligt werden. Ohne Demokratie und Pluralismus geht es in Europa nicht. Trotz dessen sind soziale Medien dabei, die Aushöhlung dieser Grundsätze zu fördern. Ob dies unter Vorsatz geschieht oder nicht, ist bei der Behandlung dieses Problems nicht von Relevanz, schließlich zählt nur, dass dieser Prozess der Untergrabung in Gang ist und nicht aufzuhalten scheint. 

 

Ein Problem miteinander haben die Demokratie und die sozialen Netzwerke also auf jeden Fall. Dieses Problem rührt allerdings nicht nur von der polarisierenden Art der sozialen Medien her, sondern vor allem auch von den undurchschaubaren Algorithmen dieser Seiten. Um das Erlebnis des Nutzers auf ihren Seiten möglichst positiv zu gestalten, setzen Social-Media-Konzerne stark darauf, bei ihren Kunden Erfolgserlebnisse zu erzeugen.

 

Denn kennen Sie es nicht auch von Ihnen selbst, meine sehr verehrten Damen und Herren? Sie sind auf Twitter unterwegs und stoßen auf einen Tweet, der Ihnen aus der Seele zu sprechen scheint. Hashtag Relatable. Sie können nichts dagegen tun. Der Kopf bewegt sich bejahend auf und ab, Sie fühlen sich verstanden. Vor allem aber fühlen Sie sich bestätigt. Und was lässt einen schon so gut fühlen wie Bestätigung, das Wissen, dass man richtigliegt – oder, dass zumindest andere es denken? Genau dieses Gefühl versuchen soziale Medien zu erzeugen – und sie schaffen dies mit neiderregendem Bravour. Wie? Nun ja, durch Filterblasen natürlich.

 

Filterblase. Eins dieser Neologismen des 21. Jahrhunderts, begründet durch den Internetaktivisten Eli Pariser. Es klingt doch also harmlos, dieses Wörtchen. Mich zumindest erinnert der Begriff etwas an Seifenblase, Blubberblase, Schaumblase. An Schönes eben. Aber Blasen haben auch etwas Verzerrendes, Illusionierendes, Isolierendes. Charakteristika, die uns sogleich zu den Merkmalen der tatsächlichen Filterblasen führen. So haben Filterblasen genau diese Aufgabe – die Wahrheit zu verzerren und den Social-Media-Nutzer zu illusionieren und zu isolieren.

 

Filterblasen entstehen laut Eli Pariser dadurch, dass Webseiten versuchen, basierend auf gesammelten Daten über den Benutzer, algorithmisch vorauszusagen, welche Art von Inhalten dieser auffinden möchte. Die Konsequenz dieses Sachverhaltes ist, dass Nutzer solcher Webseiten gegenüber Informationen, die nicht ihrem Standpunkt entsprechen isoliert sind.  Okay. So weit so fragwürdig. Sie fragen sich nun bestimmt, inwiefern sich solch ein, auf den ersten Blick doch nichtig erscheinender, Mechanismus negativ auf die europäische Demokratie auswirken kann.

 

Das Internet samt soziale Netzwerke haben die herkömmlichen Print-Medien längst vom Thron der beliebtesten Informationsquellen gestoßen. Indem die Informationen, die Nutzer auf diesen Seiten erreichen können durch ihre Voreingenommenheit limitiert werden, tragen Nachrichten und der freie Informationsfluss, der von Social-Media-Konzernen - und Sympathisanten so oft gepriesen wird, nicht länger zur Aufklärung und Differenzierung von politischen Debatten, sondern zu deren Polarisierung bei. Kontroversen werden für Bürger nicht ausreichend aus mehreren, unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet oder auch nur vollständig dargestellt. Denn sobald ein Blickwinkel zu einem Thema unter den Tisch gekehrt wird, werden auch die ihn stützenden Interpretationen und Fakten verschwiegen. In einer Zeit der personalisierten, unilateralen Berichterstattung ist es kein Wunder, dass auch der öffentliche Politikdiskurs undifferenziert und dualistisch auftritt. Von seiner eigenen Meinung abzuweichen oder sich auch nur auf andere Meinungen einzulassen ist, darauf können wir uns sicherlich einigen, für die meisten Menschen schon schwierig genug. Wie soll es dann erst aussehen, wenn ein jeder davon ausgeht, dass seine Meinung die einzig richtige, „seine“ Fakten die einzig wahren sind. Ganz genau es wird ein Ding der Unmöglichkeit. Der politische Diskurs wird nicht mehr davon leben, dass sich darum bemüht wird, möglichst viele Positionen in eine differenzierte finale Entscheidung einzugliedern, sondern an einem Machtkampf um das Rechthaben, an einem Sich-ausschließen zu Grunde gehen. Eine Politik, die sich auf diese Grundsätze beruft kann nicht pluralistisch, kann nicht demokratisch sein. Ich bin mir sicher, dass sie sich dieses Szenario gerade vor dem Hintergrund der deutschen Politik vorgestellt haben, schließlich ist dies ja auch das Naheliegendste. Aber lassen Sie uns diesen Albtraum, diesen Verrat unser aller Grundsätze mal auf das gemeinsame Europa übertragen. Stellen Sie sich bloß vor, die europäischen Nationalstaaten würden in europapolitischen Fragen nur ihre nationalen Interessen und Sichtweisen berücksichtigen. Stellen Sie sich vor, die europäischen Mitgliedsstaaten würden nur Belege für ihre eigene Meinung als Fakten akzeptieren und andere Tatsachen dafür ablehnen. Stellen Sie sich das nur mal vor, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wozu würde das führen? Ich sage es Ihnen. Die Europäische Union wäre nur noch eine Diktatur der Reichen und Mächtigen. Es ist klar, dass auch in der Europäischen Union gewisse Interpendenzen herrschen, vor allem jene ökonomischer und politischer Art. Tritt nun der Fall auf, dass in der Europäischen Union nur nationale, statt europäische Interessen verfolgt und Tatsachen willkürlich verneint werden, kann man davon ausgehen, dass dann das Wort derjenigen gilt, die die meiste, ökonomische, politische, oder anderweitige Macht über die anderen Staaten besitzen. Hilflos wird zunächst denjenigen gefolgt, die auch heute schon meist das letzte Wort bei europäischen Notständen wie der Flüchtlingskrise oder dem Griechenlanddrama haben. Ja, soziale Medien treiben die unilaterale Sichtweise in der Politik an. Ein Phänomen, das heute noch handhabbar erscheint und morgen schon ein hart aufgebautes Miteinander auseinanderbrechen lassen kann.

 

Erzählen Sie doch mal, sehr verehrte Europäer und Europäerinnen, was ist denn einer der häufigsten Begriffe, den Sie in den letzten Jahren so aufgeschnappt haben? Noch ein kleiner Tipp: Das gesuchte Wörtlein ist sogar ein kleiner Promi und wurde im Jahre 2016 zum Anglizismus des Jahres gekürt. Und? Klingelt es schon? Ach ja, klar doch. Fake-News.

 

Zu Anfang als Ausweichantwort eines wahrheitsscheuen Präsidenten auf Unliebsamkeiten abgestempelt und verbreitet, entwickelt sich diese Bezeichnung rapide zu dem Symbol eines neuen Zeitalters, der postfaktischen Ära. Sicherlich nicht eine der goldensten Stunden in der Menschheitsgeschichte und im Vergleich zur Aufklärung eindeutig ein Downgrade. So reich an Trauer und Enttäuschung dieser Begriff auch immer sein mag, an Gift ist er noch viel reicher.

 

Fake-News verbreiten sich hauptsächlich auf Social-Media-Plattformen mit Hilfe von sogenannten Social-Bots. Social-Bots sind Programme, die in sozialen Netzwerken vortäuschen, reale Nutzer zu sein und auf diesem Wege im Dienste verschiedenster Personen und Interessengruppen versuchen, Social-Media-Nutzer meinungsverändernd zu beeinflussen und zu diesem Zwecke auch Fake-News verbreiten. Die gezielte Verbreitung falscher Nachrichten führt dazu, dass die europäische Öffentlichkeit Meinungen nicht aufgrund verlässlicher, fundierter Berichterstattung fassen kann. Indem Bürger, die als Reaktion auf Fake-News ein generelles Misstrauen gegenüber Nachrichten entwickeln oder sich ausschließlich durch Social-Media-Plattformen auf dem Laufenden halten, nun also nicht um die tatsächliche politische Situation in der Europäischen Union wissen oder sicher sein können, können sie auch nicht ihre eigenen Interessenlagen akkurat und realistisch abwägen. Dieser Fähigkeit, diesem Recht entraubt ist es den Bürgern Europas nicht länger möglich die ihnen gebotene Demokratie zu nutzen. Anstatt mit einem ausgeprägten Wissen über die politische Situation Europas sich selbst in das allgemeine Meinungsspektrum einzuordnen und für diese Meinung demokratisch durch Wahlen, Proteste und andere Bürgerrechte einzustehen, verbleiben die Bürger Europas in Unklarheit über ihre eigene politische Position oder setzen sich im schlimmsten Fall sogar für eine, ihnen als ihre eigene verkaufte, Meinung ein, die ihrem tatsächlichen Wohl aber widerspricht. Sobald dieser Fall eintritt, sobald Bürger die Demokratie nicht mehr dazu nutzen können, ihre Interessen vollständig und angemessen zu vertreten, verliert die Demokratie ihren Zweck und ihren Geist. Der Sinn der Demokratie ist nicht nur der, vom, sondern auch für das Volk gemacht zu sein. Wenn das für nicht mehr erfüllt wird, ist die Demokratie, ist die Europäische Union für das Volk endgültig außer Reichweite.

 

Nachdem die Thematik der Fake-News aufkam, regten sich in Europa viele Stimmen, die sich wunderten, weshalb die Europäische Union nicht gegen dieses Phänomen vorgeht. Der Vorwurf, die Europäische Union versuche nichts gegen Social-Bots und Fake-News zu tun wäre an dieser Stelle aber unfair. Die EU-Kommission hat die Social-Media-Konzerne sehr wohl zur Verantwortung gezogen und zusammen mit ihnen einen schriftlichen Verhaltenskodex angesetzt, der diese Unternehmen unter anderem dazu anregen soll, intensiver gegen Fake-News vorzugehen und sich um die Deaktivierung bestehender Social-Bots zu bemühen. „Problem gelöst“, werden Sie nun denken. Wenn es doch nur so einfach wäre... Schließlich werden allein Facebook circa 80 bis 90 Millionen Konten angerechnet, die keinen realen Personen zugeordnet werden können. Sie können sich sicherlich vorstellen, dass deren Deaktivierung ein harter Brocken Arbeit sein wird. Dazu kommt, dass ja auch die von diesen Accounts verbreiteten Fake-News gelöscht werden sollen. Wenn Facebooks Mitarbeiter da nicht gerade mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs sind, wird das wohl ein eher aussichtsloses Unterfangen.

 

„Ja, ja, früher war alles besser“, mag sich nun einer von Ihnen denken, „da hatten wir diese ganzen neumodischen Probleme gar nicht.“

Aber mit sozialen Medien verhält es sich genauso wie mit allem auf dieser Welt. Erst wenn man sie unbedacht und in Massen genießt, werden sie für den Menschen unbekömmlich.

 

All diese Schattenseiten, die wir hier gemeinsam durchgegangen sind, tauchen erst dann auf, wenn wir bei der Nutzung sozialer Medien das Licht unseres Geistes ausschalten.

Wenn wir lernen, die Art von sozialen Medien kritisch zu betrachten, wenn wir lernen die Darstellung von Inhalten in sozialen Medien zu hinterfragen und wenn wir lernen, uns nicht nur über soziale Medien auf dem Laufenden zu halten und auch mal nach Meinungen, die von unserer abweichen Ausschau zu halten, dann, meine sehr verehrten Mitbürger und Mitbürgerinnen, genau dann können soziale Medien der politischen Partizipation und somit der Demokratie sehr förderlich sein.

 

Soziale Medien ermöglichen es den Bürgern der Europäischen Union, sich in Bezug auf europapolitische Themen mit Mitbürgern aus allen nun 27 EU-Ländern auszutauschen und auseinanderzusetzen. Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, bekommen durch Social Media die Möglichkeit, sich nicht nur mit ihrem Nachbarn, sondern mit einem echten Briten über das Brexit-Chaos zu unterhalten. Sie bekommen die Möglichkeit, Europa nicht nur mit Deutschlands Augen zu betrachten, sondern auch mit Italiens, Griechenlands, ja sogar Rumäniens. Aber vor allem bekommen Sie so die Möglichkeit, sich mit einer differenzierteren Meinung und einer wahrhaftig europäischen Perspektive an der europäischen Demokratie zu beteiligen. Diese Förderung des Pluralismus und des Europagefühls stärkt die demokratische Partizipation in Europa in einzigartigem Maße. Die Bürger und Bürgerinnen Europas erfahren durch diesen grenzübergreifenden Austausch die Zusammengehörigkeit der Europäischen Union auf unnachahmliche Weise am eigenen Leibe. Es werden ihnen in dem Sinne die Augen geöffnet, als dass erkannt wird, dass europapolitische Fragen gar nicht so weit weg von ihnen selbst sind und sich tatsächlich auf Millionen von Leben inner-und außerhalb der Europäischen Union auswirken. Die Erkenntnis dieser Wichtigkeit der Europapolitik treibt die Europäer und Europäerinnen vermehrt zur politischen Partizipation. Und was könnte der Demokratie in Europa schon so den Rücken stärken, wie eine vermehrte politische Teilnahme, welche auf einem ausgeprägten Europagefühl beruht?

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sehen also, also das der besonnene Umgang mit sozialen Netzwerken zuerst einmal dem Europaverständnis, der politischen Partizipation und damit der europäischen Demokratie überaus förderlich sein kann. Aber soziale Medien führen nicht nur zur politischen Teilnahme, sondern sind selbst ein sehr effektives Partizipationsmittel.

Was schießt denn Ihnen als erstes in den Kopf, meine sehr verehrten Miteuropäer und Miteuropäerinnen, wenn Sie an politische Partizipation denken? Wenn Sie mir erlauben, werde ich an dieser Stelle versuchen, Ihre diesbezüglichen Assoziationen zu erraten. Fangen wir mal an. Wahlen, Proteste, Petitionen. Genau in dieser Reihenfolge. Es tut mir leid, es Ihnen sagen zu müssen, aber an ein bedeutendes Partizipationsmittel haben Sie mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht gedacht, sehr sicher genau deshalb, weil es Ihnen gar nicht als solches bewusst ist. Die Rede ist natürlich, wie soll es hier denn auch anders sein, von sozialen Medien.

 

Soziale Medien haben sich, vor allem unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen, zum bevorzugten Mittel der Meinungsäußerung entwickelt. Auf Social Media ist es Bürgern möglich durch Posts, die auch direkt an politisch Verantwortliche gerichtet werden können, ihre Meinungen öffentlich und sichtbar darzustellen und zu verbreiten. Die Effektivität der sozialen Medien liegt darin, dass Bürger auf sozialen Netzwerken sehr schnell und einfach eine breite Anhängerschaft für ihre Anliegen und Meinungen finden können. Durch diese starke Demonstrierung und Artikulierung von Interessen und Forderungen an die Politik, ist es der Politik gar nicht möglich, diese Anliegen zu ignorieren oder kleinzureden, da durch die gegebene Öffentlichkeit auch ein gewisser gesellschaftlicher Druck auf den Verantwortlichen lastet, sich in angemessener Weise um diese zu kümmern und zu berücksichtigen.

 

Was zeigt uns das jetzt? Soziale Medien haben das Potenzial, Bürgern die Demokratie näher zu bringen und für sie erreichbarer zu machen. Dieser Aspekt der sozialen Medien ist insbesondere auf europäischer Ebene überaus wertvoll. Denn fühlen Sie sich nicht auch manchmal so, meine sehr verehrten Mitbürger und Mitbürgerinnen, als ob Sie Ihrer Stimme als Europabürger in der EU kein Gehör verschaffen könnten, selbst wenn Sie es wollten? Fühlen Sie sich nicht auch manchmal so, als wären die europäischen Institutionen, Behörden und Personen meilenweit vom kleinen Mann entfernt? Soziale Medien können Ihr persönlicher Lautsprecher, Ihre Verbindung zur europäischen Demokratie sein. Wir kommen zu demselben Schluss: Social Media fördert die politische Teilhabe und damit die Demokratie, ein Charakteristikum, das vor allem auf europäischer Ebene sehr wichtig ist. So wird der Europäischen Union regelmäßig vorgeworfen, sie zeige auf jede erdenkliche Weise zu wenig Bürgernähe und erscheine ihren Bürgern als omnipotentes Phantom. Ein Vorwurf, dem soziale Medien entgegenwirken können. Denn sobald sich dieser Vorwurf in den Köpfen der Bürger Europas als Wahrheit manifestiert, ist das Aufkommen von Misstrauen und Ablehnung gegenüber der Europäischen Union unausweichlich. Wird die EU von ihren Bürgern nicht mehr getragen, wird sie zerbrechen und mit ihr all ihre Errungenschaften. Errungenschaften wie der freie Handel, die Freizügigkeit des Schengen-Raumes und vor allem die Garantie des positiven Friedens in Europa.

In Zeiten, in denen mit den Vereinigten Staaten von Amerika eines der Weltmächte auf Uni-statt auf Multilateralismus setzt, in denen mit dem INF-Abkommen Abrüstungsverträge aufgekündigt werden und alte Fehler sich zu wiederholen scheinen, kann es sich die Welt nicht leisten die Europäische Union als Fels in der Brandung, als vermittelnde Instanz zwischen den Fronten zu verlieren.

 

Heute haben wir sowohl die Bedrohungen, als auch die Chancen beleuchtet, die soziale Medien für die Demokratie Europas bereithalten. Es scheint so, als ob, sich in ein und demselben Aspekt von sozialen Medien sowohl Feind, als auch Freund der Demokratie Europas findet. Was hat es mit den sozialen Medien nun wirklich auf sich? Sind sie ein Demokratiekiller- oder Retter?

Sehr verehrte Damen und Herren, die Antwort darauf ist leider nicht absolut, das wäre zu einfach, vielmehr hängt sie von meinem, von Ihrem, von unser aller Umgang und Haltung mit und zu sozialen Medien ab. Die Grenze zwischen Licht und Schatten der sozialen Medien ist dünn und trägt einen Namen: Kritik.

Solange Sie soziale Medien besonnen nutzen und den dort präsentierten Inhalten stets mit einer gewissen Kritik gegenübertreten, können Sie, können wir alle von ihren Möglichkeiten profitieren. Sobald jedoch die Vernunft, das gesunde Maß an Misstrauen mit dem Klick auf die App ausgeschaltet wird, tappen wir in eine Falle des Populismus, des Singularismus, der Untergrabung der Demokratie und ihren Werten, ja, der Untergrabung Europas.

 

Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal durch Facebook browsen. Denken Sie kritisch. Denn das sind Sie nicht nur sich selbst schuldig, sondern auch Europa und der ganzen Welt.

 

Vielen Dank.    

Beitrag von Benedikt Putz

 

Sehr verehrte Damen und Herren,

 

wir leben in bewegten Zeiten. Die Welt verändert sich in einem so rapiden Tempo wie noch nie. Es hat mehrere Jahrtausende gebraucht, um die ersten Menschen auf den Mond zu bringen und nun soll bald schon der Mars erreicht werden. Die Welt rückt immer näher zusammen. Noch vor wenigen Jahren wäre es undenkbar gewesen, in einer solchen Geschwindigkeit kommunizieren zu können. Und mit der Welt verändert sich auch das gute, alte Europa.

Täglich werden wir mit neuen Berichten über Fake News konfrontiert, von Skandalen über die Brexit-Kampagne bis hin zu Cambridge Analytica. „Social Media“ verändert unser Leben und löst sehr gemischte Gefühle in weiten Teilen der Bevölkerung aus. Ich verbringe jeden Tag viel Zeit im Internet, natürlich auch mit „Social Media“ und auch wenn ich viele Vorteile davon genieße, bin ich besorgt. Besorgt um unsere Demokratien, besorgt um unseren europäischen Zusammenhalt und besorgt um den gesellschaftlichen Frieden weltweit.

Das letzte Jahrhundert brachte uns in Europa nach einer schrecklichen ersten Hälfte mit zwei Weltkriegen, eine von Frieden und Gemeinschaft geprägte zweite Hälfte. Wir schafften es, die autoritären Systeme hinter uns zu lassen und neue, wunderbare Demokratien zu errichten. Neben den einzelnen nationalen Erfolgen ist die Zusammenarbeit in der Europäischen Gemeinschaft und später in der Europäischen Union hervorzuheben. Sie stärkt die Zusammenarbeit der europäischen Demokratien und sorgt für Stabilität. Wir können wahrlich stolz sein, in einer solchen Union zu leben, denn es gibt und gab auch noch nie ein vergleichbares transnationales Projekt.

Das neue Jahrtausend brachte vor allem eine sehr wichtige Neuerung mit sich, das Internet für alle. Heutzutage ist es uns möglich, mit Menschen überall in Europa und auf der ganzen Welt zu kommunizieren und das fast kostenlos. Ein besonderes Phänomen in den letzten Jahren ist die so genannte „Social Media“. Neben den uns bekannten positiven Aspekten brachte dies jedoch auch Gefahren und Probleme mit sich.

Zunächst möchte ich klären, was man denn nun genau unter „Social Media“ verstehen kann. Laut dem Duden ist sie die „Gesamtheit der digitalen Technologien und Medien wie Weblogs, Wikis, soziale Netzwerke u. Ä., über die Nutzerinnen und Nutzer miteinander kommunizieren und Inhalte austauschen können“1. Der Begriff bezeichnet also alle Bereiche des Internets, in denen Menschen miteinander in Kontakt treten können. Social Media ist der Athener Marktplatz oder der Wochenmarkt des 21. Jahrhunderts. Wir nutzen sie, um uns auszutauschen, uns zu informieren oder einfach nur um unterhalten zu werden.

Wo liegt also das Problem?

Nun, ist es möglich ein wichtiges Gesetz oder einen neuen Haushaltsplan durch 280 Zeichen zu erläutern? Nein, definitiv nicht. Auch wenn dadurch mehr Bürgernähe geschaffen wird, ist dies eine zu starke Simplifizierung des politischen Diskurses. Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass eine schriftliche Kommunikation so rapide abläuft. Im antiken Athen geschah dies mündlich, mit der Erfindung des Buchdrucks schriftlich, jedoch deutlich ausdifferenzierter. Heutzutage ist dies eine Mischform aus Zeitungen mit Leserbriefen und direkter, echtzeitlicher Kommunikation. Was zunächst gut klingt, lässt die Tiefe einer eigentlichen Diskussion vermissen. In einem Zeitungsartikel mit Leserbriefen wird zunächst die Information übermittelt und dann diskutiert, was deutlich mehr als 280 Zeichen umfasst. In einem Streitgespräch werden unzählige Worte und Argumente ausgetauscht. Dies ist in einer Diskussion via Twitter nicht möglich.

Gerne würde ich auch auf den Faktor Emotionalität hinweisen. Wenn man eine Diskussion mit einer Person führt, die einem direkt gegenübersteht, sind Mimik und Gestik äußerst wichtige Kriterien. Es ist daher leichter zu erkennen, wenn der/die Gesprächspartner*in sehr emotional argumentiert. Social Media hingegen befeuert durch die Anonymität die Emotionalität. Für viele Nutzer*innen ist es nicht von Bedeutung, was durch die Nachricht ausgelöst wird. Oft will man nur aus dem Affekt heraus seine Meinung verbreiten. Auch wenn dadurch eine sehr direkte Kommunikation möglich ist, wird ein wichtiger Aspekt verdrängt. Politische Diskussionen sollten auf Fakten beruhen, nicht nur auf Emotionen.

Damit komme ich auch schon zur nächsten Problematik von Social Media, den Fake News. Laut einer Studie der Stanford University achten High-School-Absolventen primär auf den Inhalt und die graphische Ausschmückung einer Nachricht. Die Quelle und mögliches Sponsoring hingegen seien nur zweitrangig. Wen wundert es also, dass für die Mehrheit der US-Amerikaner*innen Social Media die Hauptinformationsquelle vor den Präsidentschaftswahlen 2016 war? Die vereinfachten und gekürzten Nachrichten via Twitter und Facebook sind schlicht einfacher zu konsumieren. Wer möchte heutzutage noch viel Zeit dafür „verschwenden“, sich zu informieren, wenn selbst seriöse Quellen wie Der Spiegel Informationen durch Pop-up-Nachrichten übermitteln?

Neben den Fake News, gibt es noch ein weiteres, omnipräsentes Phänomen der Sozialen Medien. Sie haben sicher schon einmal von so genannten „Filterblasen“ gehört, also dass ein/e Nutzer*in einer Suchmaschine oder eines Sozialen Netzwerks nur bestimmte Suchergebnisse bekommt. Diese Filterblasen sind demnach an der eigenen politischen Meinung orientiert und schränken die Empfänglichkeit für verschiedene Meinungen ein. Der 2011 von Eli Pariser eingeführte Begriff wird inzwischen jedoch oft falsch verstanden, bzw. in einem anderen Kontext benutzt, was auch Pariser selbst bemängelt. Laut eines Forschungsberichts der Universität Utrecht sind nicht wirklich die Algorithmen an sich das Problem, sondern das, was sie auslösen. Sie führen dazu, dass der/die Nutzer*in immer neue Quellen erhält, die seine These oder Meinung stützen.

Dazu folgendes Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie wären eine Person, die nicht an die negativen folgen des Klimawandels glaubt. Sie würden nun zwar immer noch Informationen zum menschengemachten Klimawandel erhalten, aber nun ist auch die Wahrscheinlichkeit höher, dass Sie Informationen erhalten, die Ihre eigene These stützen. Die Folge dessen wäre, dass Sie zwar die anderen Argumente sehen, Sie sich jedoch immer mehr auf die der eigenen Seite fokussieren. Schuld an den Filterblasen sind also nicht unbedingt die Algorithmen, sondern das dadurch veränderte Nutzerverhalten. Es findet demnach eine Vorauswahl an Nachrichten und Informationen statt, die die eigene, persönliche Auswahl dessen, was man wirklich liest, in eine bestimmte Richtung katalysiert.

Die geschilderte Beobachtung wird auch von einer Forschungsanalyse der Universität Amsterdam bestätigt. Diese besagt, dass die persönliche Auswahl an Nachrichten das eigentliche Problem sei. Sie weist jedoch auch darauf hin, dass das Forschungsmaterial in Europa bisher unzureichend sei, da das Medienverhalten in den USA nicht vergleichbar sei. Auch wenn sich in Europa inzwischen die Mehrheit über das Internet informiert, geschieht dies meist durch Online-Ableger klassischer Medien.

Warum gibt es nun also diese persönliche Selektion von Nachrichten? Die Antwort liefert eine Studie der Technischen Universität München. Facebook und andere soziale Netzwerke sind nicht dafür geschaffen worden, den politischen Diskurs zu bestimmen. Sie waren eigentlich dazu gedacht, persönliche Momente zu teilen, in Kontakt zu treten usw. Erst mit der Zeit kam die politische Bedeutung hinzu. Soziale Netzwerke und ihre Algorithmen sind deswegen darauf erpicht Emotionen zu wecken. Die zentralen Funktionen von Medien werden also eher schlecht als recht erfüllt. Sie informieren nicht so umfassend wie möglich und auch nicht immer wahrheitsgetreu. Der investigative Journalismus fällt den vielen Verschwörungstheorien zum Opfer. Wir lesen also nur die Nachrichten, die uns sofort ansprechen und nicht die, die vielleicht am informativsten sind.

Während meiner Recherche bin ich noch auf ein weiteres Problem von Social Media für unsere Demokratie gestoßen, das Microtargeting. Das bekannteste Beispiel, von dem Sie wahrscheinlich alle gehört haben, ist der Skandal rund um Cambridge Analytica. Dieses Unternehmen sammelte Daten von Millionen Nutzer*innen, um diese an Wahlkämpfer*innen der Kampagne Donald Trumps weiterzuleiten. Mit diesen Daten ist es möglich, einen viel effizienteren Wahlkampf zu führen, da man die Wahlkampfwerbung auf Individuen zuschneiden kann, was als Microtargeting bezeichnet wird.

Darüber hinaus sind auch die Social Bots nicht zu vergessen. Dies sind Softwareroboter, die nach einprogrammierten Algorithmen arbeiten und unzählige Möglichkeiten der Beeinflussung bieten. Sie können gezielt in eine Konversation bspw. mit Hasskommentaren eingreifen, sie können den politischen Diskurs durch Verbreitung bestimmter Hashtags in eine bestimmte Richtung lenken oder sogar gegenseitig interagieren und somit eigene Kommentare liken und teilen. Sie sind also fast schon eine automatisierte Instanz politischer Diskussionen in sozialen Medien.

Welcher Schluss lässt sich nun daraus ziehen? Sind soziale Medien nur eine Bedrohung für unsere Demokratie oder vielleicht trotz allem eine Chance?

Zunächst möchte ich auf eine sehr interessante Beobachtung bei der Massenmedienanalyse eingehen, den „Third-Person Effect“. Dieser, Ende des 20. Jahrhunderts entstandene, Begriff ist vor allem für die Untersuchung der Auswirkungen von Social Media auf unser politisches Verhalten von großer Bedeutung. Glauben Sie, dass Sie Nachrichten gut filtern können und kompetenter im Umgang mit Medien sind als die Allgemeinheit? Vermutlich ja. Sind Sie dabei allein? Nein. Der Großteil der Bevölkerung glaubt, im Umgang mit Social Media kompetenter zu sein als der Rest. Die Gefahren will jedoch niemand abstreiten. Laut Jie Zhang von der University of Texas – Austin und Terry Daugherty von der University of Akron sei dies die Grundlage für unsere Diskussionen über Social Media als Gefahr. Es wird fast nur von den indirekten Folgen der sozialen Medien gesprochen, empirische Datenerhebungen gibt es jedoch sehr, sehr wenige. Wir führen also eine eher auf Emotionalität basierende Debatte. Wir haben eine fast schon kafkaeske Angst vor sozialen Medien, da sie für uns intransparent und undurchschaubar sind. Ein Beispiel für diese oft unbegründete Angst sind die angesprochenen Filterblasen. Auch früher kaufte man sich eine, der eigenen politischen Richtung entsprechende Zeitung. Das Internet bietet also eher mehr Konfrontation.

Ich plädiere demnach eher für eine optimistische Betrachtung sozialer Medien, wobei die möglichen Gefahren natürlich trotzdem im Hinterkopf behalten werden müssen. Nichtsdestotrotz sollte man auch die positiven Aspekte sozialer Medien für die Demokratie nicht außer Acht lassen. Es gab wohl nie eine basisdemokratischere Form des politischen Diskurses als die sozialen Netzwerke. Alle Europäer*innen können inzwischen mit allen Europäer*innen in Kontakt treten und Meinungen austauschen. Eine zentrale Funktion der Medien, nämlich die der Meinungsbildungsfunktion, wird demnach von sozialen Medien besser erfüllt als jemals zuvor. Allein die unglaubliche Diversität sorgt dafür. Auch die Möglichkeiten zum Zusammenschluss, um für ein Ziel zu kämpfen, sind besser denn je. Das beste Beispiel dafür sind die aktuellen „Fridays for Future“- Proteste von Schüler*innen überall in Europa. Die sonst nicht an der repräsentativen Demokratie beteiligten Jugendliche haben nun die Fähigkeit ihre Stimme zu erheben und demokratisch aktiv zu werden.

Deshalb möchte ich mich, entgegen der vielen negativen Berichte, für eine bessere Einbindung von Social Media in unsere europäischen Demokratien aussprechen. Zunächst muss hierfür jedoch der entsprechende Rahmen geschaffen werden. Nötige Gesetze und Regelungen müssen verabschiedet werden, damit soziale Medien nicht doch zur Gefahr werden. Grundlegend dafür ist, dass aktuelles Recht auch im Netz durchgesetzt wird und soziale Medien kein rechtsfreier Raum mehr sind. Die Datenspeicherung bspw. sollte definitiv nicht ausländischen Unternehmen überlassen werden. Auch die Verfasser*innen von Hasskommentaren dürfen nicht mehr einfach ungestraft davonkommen. Keineswegs darf dies jedoch mit der Nutzung der sozialen Netzwerke durch die chinesische Regierung vergleichbar sein, die diese vor allem zur Überwachung nutzt. Es gilt also eine Balance zwischen Kontrolle der sozialen Medien und dem freien Diskurs zu finden.

Wenn wir es schaffen, die Gefahren sozialer Medien für unsere Demokratie in den Griff zu bekommen, sind diese definitiv kein Demokratiekiller. Ich bin überzeugt davon, dass wird das schaffen. Trotzdem dürfen wir nicht tatenlos sein, sondern müssen immer kritisch sein. Es ist unsere Pflicht, Mitmenschen auf die Probleme von Social Media hinzuweisen. Auch die Bildung der Kinder und Jugendliche in Bezug auf soziale Medien muss eingeführt bzw. verbessert werden. Wenn wir dies schaffen, dann werden die sozialen Medien ein Segen für unsere Demokratie sein. Europa ist besser vernetzt als je zuvor und wir sollten das Beste daraus machen.